Rückenwind für die Verkehrswende – Jochen Biedermann im Gespräch

Bildnachweis: Quynh-Say-Hog

Der öffentlicher Raum ist in stark verdichteten innerstädtischen Quartieren wie Rixdorf ein Thema mit viel Konfliktpotenzial. Der Quartiersrat Rixdorf hat daher auch diesem Handlungsfeld im Zuge der IHEK*-Entwicklung die höchste Priorität gegeben. Neben dem Thema Vermüllung und Übernutzung der wenigen Frei- und Grünflächen im Gebiet, bewegt die Menschen vor Ort vor allem der Verkehr. Wir haben dies zum Anlass genommen, Jochen Biedermann, Stadtrat für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr sowie stellvertretender Bürgermeister in Neukölln, einige Fragen zu diesem Thema zu stellen.

Mit der sukzessiven Umsetzung des Verkehrskonzeptes Rixdorf wurden bereits erste Maßnahmen zur Verringerung des Durchgangsverkehrs vom Bezirk getroffen. Liegen schon erste Ergebnisse zur Wirksamkeit vor? Und welche Maßnahmen sind als nächstes zur Umsetzung geplant?

Ich bekomme immer wieder positive Rückmeldungen vor allem zum Böhmischen Platz und zur Schließung der Rixdorfer
Schnalle zwischen Karl-Marx und Richardplatz. Gleichzeitig haben wir den Durchgangsverkehr mit den bisherigen Maßnahmen nicht aus Rixdorf herausbekommen – er hat sich zumindest in Teilen nur verlagert. Deshalb sind weitere Maßnahmen notwendig – hin zu einem Kiezblock.

Was würden Sie Anwohnenden empfehlen, die unter hohem Durchgangsverkehr leiden?

Viele Anwohner*innen sind in den letzten Jahren aktiv geworden um auf die Situation hinzuweisen. Das sehe ich als Rückenwind für die Verkehrswende. Auch das lokale Wissen hilft uns bei den Planungen. Ich kann nur empfehlen, da weiter dran zu bleiben. Ich jedenfalls werde dranbleiben, wirksame Maßnahmen gegen den Durchgangsverkehr umzusetzen.

In Rixdorf wird viel über sogenannte KiezBlocks gesprochen. Könnten Sie kurz beschreiben, was der Vorteil dieser Durchgangssperren ist und ob eine Umsetzung für unseren Kiez geplant ist?

Der Vorteil ist ganz einfach erklärt: Mit Kiezblocks lohnt es sich nicht mehr, in einen Kiez hineinzufahren, wenn man dort kein Anliegen hat, sondern nur durchfahren will. Man kommt noch überall hin, aber mit dem Auto nicht mehr auf dem kürzesten Weg. Zu Fuß gehen oder Fahrradfahren wird dadurch attraktiver und Durchgangsverkehr ausgebremst. Lösungen für Feuerwehr, Krankenwagen, Polizei und Müllabfuhr müssen aber natürlich gefunden werden.

Und ja: wir arbeiten konkret an einem Kiezblock Rixdorf.

Wann kommt die Parkraumbewirtschaftung und welche Vorteile wird sie bringen?

Stand jetzt kommen die ersten drei Parkraumbewirtschaftungszonen im Sommer 2023. Eigentlich wollten wir als Bezirk schon weiter sein. Nach der Wahl im letzten Jahr konnte der Landeshaushalt aber erst zum Sommer beschlossen werden. Ausschreibungen, Vergaben und Einstellungen mussten daher zunächst aufgeschoben werden. Wann genau es im Richardkiez losgehen wird, kann ich daher noch nicht sagen.

Mit der Parkraumbewirtschaftung wird Parken für Autos von außerhalb des Kiezes gebührenpflichtig. Wer im Kiez wohnt, kann einen Anwohnerparkausweis bekommen. Damit wollen wir den Parkdruck und den Parksuchverkehr verringern. Wer nicht in der entsprechenden Zone wohnt, muss dort für’s Parken zahlen. Damit machen wir Schluss damit, dass man sein Auto überall kostenlos im öffentlichen Raum abstellen kann. Denn den Platz brauchen wir dringend für andere Nutzungen.

Zuletzt noch eine etwas persönlichere Frage. Sie haben ja mal in Rixdorf gewohnt. Was macht den Kiez für Sie aus und haben Sie hier noch einen Lieblingsort?

Auch Rixdorf hat sich in den letzten Jahren ja stark verändert. Aber ich habe an vielen Stellen immer noch Heimatgefühle. Das Böhmische Dorf ist natürlich absolut einzigartig, ich laufe etwa gerne durch die Kirchgasse. Ich mag den Silent Rixdorf Garten und fühle mich im Linus zu Hause. Und natürlich Arturs Kasper Theater am Böhmischen Platz. Den Permakulturgarten im Café Botanico. Ach, ich könnte die Liste glaube ich noch sehr lange fortsetzen. Insofern: viele Lieblingsorte, nicht nur einer.

Lieber Herr Biedermann, danke, dass Sie sich für das Gespräch mit uns Zeit genommen haben.

Dieses Interview ist in der ersten Ausgabe der neuen Kiezzeitung „X – Rixdorfer Kiezinfo“ erschienen. Die gesamte Ausgabe zum Thema „öffentlicher Raum“ kann hier nachgelesen werden.