Mehmet

Bildnachweis:

Ich habe immer in Neukölln gewohnt. Hier in der Gegend seit 10 Jahren. Also die meisten kennen mich schon. Sie wissen schon, was ich alles mache. […] Also ich mache in der letzten Zeit Musik und spiele viele Instrumente. Unter anderem Geige, Klarinette, und Oud – ich singe auch. Und sonst, wohne ich am Richardplatz und beschäftige mich mit meinem schönen Garten und so weiter. Alles keine Überraschung. Die meisten Menschen haben durch ihre Erfahrungen mit den Mitmenschen viele, viele Vorurteile. Wenn man vom Äußeren her nicht Deutsch ist, dann haben sie noch viel mehr Vorurteile. Ich bin deutscher Staatsbürger und das ändert an meinem Aussehen nichts. Das ändert die Vorurteile nicht. Ich versuche nicht mehr was zu ändern. Ich bin ich und durch meine Handlung, durch meine Sprache und durch meine Nähe zu den Menschen sollen sie mich kennenlernen und vielleicht bilden sie ein anderes Urteil.
Wir sollten auch auf die Deutschen zugehen und versuchen mit denen positiven Dialogen zu führen. Statt uns zu differenzieren, sollen wir uns solidieren. Nicht abgrenzen, einfach auf die Deutschen zugehen und sagen „Guck mal – wir leben zusammen, lass uns miteinander reden, einander kennenlernen. Wir sind Menschen, ihr seid Menschen, wir sind nicht was anders. Wir sind gleich – genauso wie ihr.“

„Wir müssen Frauen helfen, Männern helfen, Kindern helfen, Hunden helfen, Pflanzen helfen. Wir müssen uns alle für die Natur und für alles verantworten.“

Aber wenn es nicht klappt, dann nicht. Mit Gewalt geht’s nicht. Durch den Lockdown und die Pandemie sind die Menschen sehr verängstigt. Wenn man einen Menschen sieht, egal wen, der auf dem Boden liegt, dann setzt man eine Maske auf, geht zu ihm und hilft ihm hoch. Aber die meisten sind so weit, dass sie es nicht mehr tun, sie haben ihre Menschlichkeit verloren. Da müssen wir viel tun! Meiner Meinung nach wird sehr übertrieben mit diesem Lockdown. Krankheit hin, Krankheit her. Wir müssen Menschen bleiben und einander helfen. Wir müssen Frauen helfen, Männern helfen, Kindern helfen, Hunden helfen, Pflanzen helfen. Wir müssen uns alle für die Natur und für alles verantworten. Wir können nicht weggucken, das geht nicht. Das müssen wir den Menschen erklären.
Und wir sollten auch lernen, vielfältig miteinander umzugehen. Also ja, nicht stur mit Scheuklappen rumlaufen. Und dieses Ellbogendenken müssen wir weglassen. Wir müssen versuchen eine Gemeinschaft zu werden, eine Einheit zu werden.
 
Ich war, als ich kam, Gastarbeiter. Als ich das Wort ‘Gast’ verstanden habe, dachte ich ‘Oh! Ich bin ein Gast’… Wenn man Gäste hat, bemüht man sich um sie, man hilft, schenkt ihnen etwas, man bewirtet sie so gut wie möglich. Aber das war nicht so. Die Gastgeber waren nicht da. Und das hat mir immer sehr weh getan und das hat sich nicht großartig geändert. Da wo ich wohne, bin ich der Einzige, der anders aussieht. Ich habe kein Kontakt zu meinen Nachbarn und sie wollen auch keinen zu mir. Egal was ich gemacht habe, ich hab es nicht geschafft, Nähe zu schaffen. Wir leben nebeneinander, aber nicht miteinander. Ich hab’s nicht geschafft. Sie sind nett, sie grüßen mich. Aber dann tschüss. Ich komme nicht an sie ran, egal was ich mache.Musik ist eine internationale Sprache. In der Braunschweiger Str. 80 ist dieser Trial & Error Tauschladen. Vor 2 Jahren könnte man dort Jam Sessions machen. Die hat ein italienischer Musiker organisiert, er hat freitags viel musikalische Instrumente gebracht und ab 8 Uhr kamen viele – 7, 8, 9, 10 Leute. Jeder hat ein Instrument genommen und hat angefangen zu spielen. Da kamen Melodien raus – super! Jeder hat irgendwas improvisiert, […] jeder ist glücklich weggegangen, jeder hat nach Gefühl was gespielt. Es waren Deutsche, Türken, Araber, Italiener, Spanier, alles Mögliche, die waren alle da! Die haben nicht miteinander gesprochen, einfach Musik gemacht. Herrlich!

Vielen Dank für deine Geschichte, Mehmet!

Fotos: Christopher Quantrell